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Roboter raus aus dem Käfig

Der bisherige Einsatz von Robotern in der Lagerlogistik beschränkte sich auf abgesperrte Bereiche, in denen Roboter strikt getrennt vom Menschen arbeiten. Die nächste Entwicklungsstufe der Lagerroboter sind autonome mobile Roboter.


Körber - AMR - autonome mobile roboter - Lager roboter arbeiten zusammen, um die Effizienz zu steigern und die Lagerhaltung zu optimieren

Wie der Name schon sagt, navigieren sich autonome mobile Roboter (AMR) durch das Lager und reagieren auf ihre sich verändernde Umwelt (zum Beispiel herumstehende Kisten oder fahrende Gabelstapler).

Im folgenden Blogbeitrag wollen wir stark vereinfacht auf die Technik eingehen, die dafür sorgt, dass der AMR keine Gegenstände oder Personen anfährt und sich nicht wie beim Rummel im Autoskooter verhält.

Je nach Anbieter variiert die technische Ausrüstung der AMRs. Wir wollen am Beispiel des Fetch 100 von Fetch Robotics, einen unserer strategischen Partner im europäischen Raum, die Sensoren sowie ihre Funktionsweise und ihr Zusammenspiel erklären.

Abbildung 1: Sensoren eines Fetch 100s – Quelle Fetch Robotics

Abbildung 1 zeigt einen Fetch 100 mit seinen Hauptsensorsystemen. Alle Sensoren sorgen zusammen für eine kollisionsfreie Orientierung.

Das einfachste und wohl bekannteste System ist die Messung der Umdrehungen der Antriebsräder (auch Odometrie genannt). Jeder kennt wohl das Prinzip vom eigenen Fahrradcomputer. Genau wie bei diesem wird jede Radumdrehung durch eine Lichtschranke (beim Fahrrad ist es meist ein Magnet) erfasst. Da der Umfang des Rades bekannt ist, lässt sich so schnell der zurückgelegte Weg ausrechnen.

Abbildung 2: Prinzip der Odometrie

Der nächste Sensor ist ein Beschleunigungsmesser (accelerometer). Dieser misst mithilfe der Trägheit die Beschleunigung des AMRs. Vereinfacht gesprochen ist im AMR im Prinzip eine kleine Masse an einer Feder befestigt, die bei einer Beschleunigung aufgrund der Trägheit erstmal weiter auf ihrer Position verharrt. Dank der Feder wird diese aber mit etwas Verzögerung trotzdem mitgenommen. Dieses „Eindrücken“ der Feder ist ein Maß für die Beschleunigung und dies kennt jeder, der bei einer auf grün springenden Ampel etwas Gas gegeben hat und in die Autositze gedrückt wurde.

Abbildung 3: Prinzip der Beschleunigungsmessung

Der nächste Sensor ist ein Gyrometer, welcher die Drehung eines Gegenstandes misst. Klassischerweise sind dafür Kreiselinstrumente / Gyroskope zum Einsatz gekommen, aber moderne Gyrometer nutzen die Corioliskraft dazu. Diese wirkt auf Körper ein, die sich auf einer drehenden Scheibe bewegen und bewirkt vereinfacht gesagt, dass der Körper beim Bewegen abgelenkt wird. Wie kann man nun aber mit der Corioliskraft die Drehung messen, vor allem da wir gesagt haben, dass man sich bewegen muss, damit diese auf einen wirkt? Dazu nutzt man einen Trick und zwar bringt man etwas zum Schwingen. Wenn etwas schwingt, bleibt es an Ort und Stelle, aber es bewegt sich auch. Der AMR besitzt eine Mikromechanik, in der zwei Flügel um einen Drehpunkt angeordnet sind. Schwingen diese beiden Flügel mit Schwingrichtung zueinander und dreht man diese Mechanik, kommt es zu einer zusätzlichen Ablenkung der Flügel. Aus der Ablenkung lässt sich die Drehung ermitteln. Das beschriebene Prinzip wird auch als Stimmgabelprinzip bezeichnet.

Abbildung 4: Prinzip der Messung von Drehbewegungen

Anhand der bisher beschriebenen Messsysteme misst der AMR seine Bewegungen und berechnet daraus seinen ungefähren Standort im Lager. Aber aufgrund von zum Beispiel abgenutzten Rädern (und damit einen kleineren Umfang) kann es zu geringen Abweichungen kommen. An sich ist eine geringe Abweichung kein Problem, aber auch eine geringe Abweichung, die 100-mal auftritt, summiert sich zu einer großen Abweichung.

Man kann dies auch selber ausprobieren, indem man in einem Lager zwei Punkte markiert, die voneinander 10 m entfernt sind und keine Hindernisse zwischen einander haben. Man stellt sich nun an den einen Punkt, schließt die Augen und geht 10-mal von einem zum anderem Punkt. Wenn man die Augen wieder öffnet, wird man erstaunt sein, wie weit man doch vom eigentlich Punkt entfernt ist. Selbst wenn man pro Strecke nur 5 cm zu kurz gelaufen ist, macht das bei 10-mal hin und her am Ende doch schon 1 m Unterschied.

Das gleiche Problem haben auch AMRs. Aber genauso wie wir Menschen, die ihre Umgebung mit ihren Augen sehen und das Gesehene mit ihren anderen Sinnen abgleichen, sind AMRs mit Sensoren ausgestattet, die die Aufgaben unserer Augen übernehmen.

Zum einem besitzt der Fetch 100 einen 2D-Laserscaner (LIDAR). Dieser arbeitet wie ein Radar und misst mit Lichtwellen anstatt mit Radiowellen den Abstand zu Gegenständen. Der Laserscanner beim Fetch 100 sitzt auf einer Höhe von ca. 30 cm über dem Boden, sendet in einem Winkel von 220 ° Lichtwellen aus und empfängt deren zurückkommende Reflexionen. Anhand der Laufzeit der Lichtwellen kann die Entfernung des reflektierenden Körpers bis zu einer Distanz von 25 m berechnet werden.

Abbildung 5: Prinzip der Lichtradarmessung

Ein Problem beim Laserscanner ist, dass er nur exakt auf einer Höhe (hier 30 cm) messen kann, weshalb es sich um 2D-Laserscan handelt. Alles was darüber oder darunter ist, kann er nicht erfassen. Aus diesem Grund kommen beim Fetch 100 zusätzlich zwei 3D-Kameras zum Einsatz. Eine für den unteren und eine für den oberen Bereich.

Eine 3D-Kamera besteht aus zwei Schwarz-Weiß-Kameras, einen Texturprojektor und einer Farbkamera. Die 2 Schwarz-Weißkameras sind versetzt zueinander angeordnet. Nehmen diese das gleiche Bild auf, erscheint der gleiche Gegenstand im Bild aufgrund des unterschiedlichen Blickwinkel jeweils etwas versetzt. Werden beide Bilder nun übereinander gelegt kann man aufgrund der Distanz auf den Bildern die Entfernung zum Gegenstand ermitteln (diese Methode wird in der Fotogrammmetrie auch Parallaxe genannt). Das gleiche Prinzip nutzt auch das menschliche Gehirn zur Distanzmessung. Hält man zum Beispiel einen Stift in 30 cm Abstand vor seinem Gesicht, schließt nun ein Auge und lässt das Andere geöffnet. Wenn man nun beide Augen wechselt, wandert der Stift in der eigenen Wahrnehmung, sind beide Augen geöffnet, „rechnet“ das Gehirn beide Bilder zusammen und ermittelt so auch den Abstand zum Gesicht. Bei Oberflächen, die sehr homogen sind (zum Beispiel eine weiße Wand), wird mit Hilfe des Texturprojektors eine Textur auf die Oberfläche projiziert, so dass die Kameras einen Anhaltspunkt bekommen. Die Farbkamera hilft zusätzlich dabei, dass Reflexionen und Licht-/Schattenwechsel auch als solche erkannt werden.

Abbildung 6: Prinzip der Parallaxe

Die Orientierung des AMR erfolgt nun mithilfe seines bereits berechneten wahrscheinlichen Standorts und dem Abgleich der ermittelten Sensordaten mit seiner internen Karte. Hat er zum Beispiel zwei mögliche eigene Standorte errechnet, ermittelt er, wie seine Sensordaten aussehen müssten und wählt den Standort mit der größten Sensordatenübereinstimmung.

Abbildung 7: Odemetrie und Sensordatenabgleich

Eine Besonderheit von AMRs ist das Reagieren auf Veränderungen der Umwelt. Anhand seiner Sensoren erfasst der AMR nicht nur neue Objekte im Lager, sondern kann deren Bewegung auch approximieren und seine Wegfindung darauf anpassen. Das heißt, ein AMR bleibt bei Erkennung eines fahrenden fremden Objekts nicht stehen und wartet, sondern versucht es zu umfahren oder sucht sich einen anderen Weg.

All diese Sensoren und leistungsfähigen Prozessoren sorgen dafür, dass AMRs ohne zusätzliche Installationen von Orientierungshilfen oder Leiteinrichtungen sicher in Lagern agieren können, in denen Mensch und Lademaschinen arbeiten.

Nun haben wir die wesentlichen Mechanismen für die Orientierung dargestellt, im nächsten Blog zeigen wir, wie der Roboter sich im Lager zu recht findet und welche grundlegenden Algorithmen sich dahinter verbergen.

*extrem vereinfachte Darstellung der verwendeten Microelectromechanical systems (MEMS)



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